skizze (154)



in der stille liegt eine weite und dein sommerwort. wie fern waren wir damals von uns und der welt. oder waren wir ganz nah dran? vielleicht keine frage von jetzt oder damals. wir drehten jeden kirschkern im mund und spuckten ihn kichernd in die büsche. warum sollten wir das heute anders machen? weil wir reifer sind, reif wie die kirschen, die wir naschten? nein, sagst du, wir sind genauso grün hinter den ohren, nur leiser. manchmal treffen wir uns heimlich im inselwort. dann lachst du wie damals. „damals“, wie das klingt, staunst du. deine lachfältchen, unbezahlbar. du legst noch einmal dein gesicht in mein haar und murmelst, in der stille sind wir zuhause.


©diana jahr 2023

aus einem brief | jetzt


lieber á,

ist denn nicht jedes gedicht, (jedes kunstwerk): jetzt? und zwar zu jedem zeitpunkt, zu dem man es schreibt, und zu dem man es liest/ betrachtet. deshalb ist aus meiner sicht jeder text in der gegenwart angesiedelt. und gleichzeitig ist jedes geschriebene wort auch schon wieder vergangenheit sowie jedes kommende wort zukunft – und zwar immer dann, wenn jemand das geschriebene liest! immer wieder neu. vielleicht ist es unter anderem das, was das schreiben aus- oder zumindest auch reizvoll macht? vielleicht ist das sinnieren über das „jetzt“ auch so faszinierend, weil es nie wirklich fassbar ist?
jedes „jetzt“ ist einzigartig. und für jeden ist es anders. (zeit ist also subjektiv?) manchmal verschiebt es (das jetzt) sich sogar innerhalb der zeit. im gedicht entsteht es immer wieder neu:

jetzt
liest du
dieses gedicht

diese zeitbetrachtungen, dieses beleuchten der gegenwart beschäftigen mich schon lange. das nachdenken darüber kann immer nur fragmentarisch sein, weil es ein endlos weit denkbares thema ist. und noch ein gedanke: raum ist mehrdimensional. warum also sollte zeit eindimensional sein?

jetzt
ist der himmel
blau und öffnet
ein tor zum anderen
jetzt
ist der himmel
blau und öffnet
ein tor zum anderen
jetzt
ist der himmel
jetzt ist
jetzt

herzliche grüße aus dem jetzt (??) -> für mich jetzt. wenn du es liest, für mich vergangen: aber für dich: jetzt.

ist es nicht verrückt mit der zeit??

alles liebe!

deine d.


©diana jahr

skizze (152)



und du antwortest mit einem handstreichen, als ob du meine gedanken liest, und du liest sie nicht nur, sondern übersetzt sie dem wind. ein stilles gespräch, nicht verlassen, nur versunken in einem zimmer der nacht. gute geister, denke ich abermals, und du öffnest das fenster. siehst du, sagst du, hörst du? aus dem dunkel, nichts. es wird kalt, aber mir ist warm. gleichzeitig greifen wir zum fenster, wollen es schließen. handgedichte. wir gehen zum kamin und setzen uns. gischt kommt mir in den sinn, als du mich küsst und dass ich deine gedanken spiegle, als wären mir meine eigenen worte abhanden gekommen. dabei haben wir nur die geschichte beiseite gestreift. oder sind wir
mittendrin?


©diana jahr 2021/22

skizze (150)



sie kaut auf den sätzen, dreht jedes wort zweimal im mund herum, bevor es über die lippen geht. er hingegen spricht einen wasserfall. manchmal passiert ihr das auch, aber dann sind die worte rot. sprudeln möchte sie, in gelb und grün. seine sprache ist blau. wenn sie sich begegnen, fliegen silben hin und her, ihre sind schwer, aber voller klang, seine leicht, und sie treffen absichtslos ins schwarze.


©diana jahr 2022

skizze (144)



aber wir müssen achtgeben auf den wind, über ihn habe ich keine macht (als hätte ich irgendeine macht), wenn er über uns wegbraust, mit seinen armen nach uns greift, uns gnadenlos aufwühlt und verwirbelt, haben wir keine chance. ich will dich tragen und wiegen mit all meinen klängen, aber nicht in meine tiefen ziehen, sie brächten dich um. deshalb komme nur zu mir, wenn der wind sich woanders vergnügt, oder schläft, wenn er weit weit weg ist, nur dann bin ich sanft und ruhig. unser feuer brennt noch, raunst du, wie seltsam das leben ist. verse flackern auf und das meer liegt still.


©diana jahr 2022