aus einem brief | jetzt


lieber á,

ist denn nicht jedes gedicht, (jedes kunstwerk): jetzt? und zwar zu jedem zeitpunkt, zu dem man es schreibt, und zu dem man es liest/ betrachtet. deshalb ist aus meiner sicht jeder text in der gegenwart angesiedelt. und gleichzeitig ist jedes geschriebene wort auch schon wieder vergangenheit sowie jedes kommende wort zukunft – und zwar immer dann, wenn jemand das geschriebene liest! immer wieder neu. vielleicht ist es unter anderem das, was das schreiben aus- oder zumindest auch reizvoll macht? vielleicht ist das sinnieren über das „jetzt“ auch so faszinierend, weil es nie wirklich fassbar ist?
jedes „jetzt“ ist einzigartig. und für jeden ist es anders. (zeit ist also subjektiv?) manchmal verschiebt es (das jetzt) sich sogar innerhalb der zeit. im gedicht entsteht es immer wieder neu:

jetzt
liest du
dieses gedicht

diese zeitbetrachtungen, dieses beleuchten der gegenwart beschäftigen mich schon lange. das nachdenken darüber kann immer nur fragmentarisch sein, weil es ein endlos weit denkbares thema ist. und noch ein gedanke: raum ist mehrdimensional. warum also sollte zeit eindimensional sein?

jetzt
ist der himmel
blau und öffnet
ein tor zum anderen
jetzt
ist der himmel
blau und öffnet
ein tor zum anderen
jetzt
ist der himmel
jetzt ist
jetzt

herzliche grüße aus dem jetzt (??) -> für mich jetzt. wenn du es liest, für mich vergangen: aber für dich: jetzt.

ist es nicht verrückt mit der zeit??

alles liebe!

deine d.


©diana jahr

notiz aus folkwelten &



körper resonanzräume aus händen aus mündern sprießen akkorde in dur und moll musik quillt aus jeder pore des abends diese fließende sprache perlt sprudelt murmelt flutet schwemmt über liegt ruhig lindert brandet wühlt auf füllt an hinterlässt ein gefühl von
glück


©diana jahr 2022