Marlies Blauth: Bilder aus Kohlenstaub




Marlies Blauth, Bilder aus Kohlenstaub
ISBN 978-3-7455-1102-4

Gedichte und Zeichnungen.
21,1cm x 25,3cm x 1,2cm € 24,50
Athena-Verlag Oberhausen / September 2021 – kartoniert – 100 Seiten



Ruhrgebietsimpressionen: Gedichte und Zeichnungen

Wenn ich an meine Heimat, das Ruhrgebiet, denke, sehe ich nicht nur Asphalt und Beton, Industrie und Hochöfen, sondern auch das heutige Grün, „liebliche Landschaften/ die man hier nicht vermuten würde“, die Halden, Oasen und Parks in den Städten, verwunschene Orte, und natürlich die „bissken“ rauen aber meist unter der Schale sehr herzlichen Menschen. All das findet sich wieder in den Bildern und Worten aus Kohlenstaub der Künstlerin und Autorin Marlies Blauth, die im Ruhrgebiet aufwuchs, nicht in einer Arbeiterfamilie, sondern einer künstlerisch/ musikalisch geprägten.

Das Buch bildet ein Gesamtkunstwerk aus Text und Bild, schon das Titelbild lädt ein, einzutauchen, in eine graubraune Landschaft, durchzogen von Rottönen, die gleichermaßen an das frühere Glühen der Kohleöfen erinnern wie an die Röte eines Sonnenuntergangs – ja, das Ruhrgebiet hat durchaus romantische Seiten! – als auch an die Warmherzigkeit der Menschen.Der so schön zweideutige Titel umfasst sowohl die gemalten als auch die sprachlichen Bilder.

In einem Vorwort stimmt Margrid F. Gantenberg mit feinem Gespür und fundiertem Hintergrundwissen auf das Buch ein.

Die Zeichnungen aus feinstem Kohlenstaub – welch grandiose Idee, mit dem charakteristischen Material des Ruhrgebiets Bilder desselbigen zu kreieren – zeigen atmosphärische Landschaften, teils mit Industrie, sowie besondere/ bestimmte Orte, auch Kirchen. Zusammen mit den Gedichten bilden sie eine eindrückliche Symbiose, beides korrespondiert und unterstreicht sich gegenseitig in der Wirkung; Kohle und Worte vermischen sich sozusagen zu einem Einzigen, dem Ruhrgebiet.

Die Gedichte, Impressionen, verbinden Kopf und Gefühl, Natur und Mensch, Vergangenheit und Gegenwart, äußere Orte mit innerem Erleben, mit teils starken, teils zarten Tönen entführt Marlies Blauth zu Orten und Zeiten persönlicher Augenblicke. Nostalgie klingt nur selten an, und wenn, dann auf unaufdringliche Weise, immer gepaart mit der früher oft rauen Realität der Region. Die Sprache der Künstlerin ist klangvoll, nie grau, sondern farbig, einmal blau, dann wieder „karminrot“ oder „regenrot“.

Marlies Blauth entführt in verschiedene Gefilde wie Natur und Landschaft, da heißt es zum Beispiel: „auf dem brüchigen Bahnsteig/ wächst Herzkraut“ oder „die Natur berauscht sich/ an vergessenen Mauern“. Sie schlägt aber auch durchaus auch dunklere Töne an: „(…)/ im November/ dann hatte der kranke Fluss/ das Sagen und spie/ vor unsere Tür“. Die Erinnerungen gehen zum Teil bis in die Kindheit zurück, „ich liebte das Spiel:/ tief unter die Kiefer kriechen/ oder in eine spelzige Futterkiste“.

Auch für aktuelle Themen wie die Pandemie, die wohl an keinem von uns spurlos vorübergegangen ist, findet sie tröstliche Worte.

Des Weiteren nimmt die Autorin uns mit auf die Reise zu besonderen Orten, die auch konkret benannt werden, zum Beispiel nach Phoenix West: „(…) stolze Gerippe/ in einer Landschaft aus Dorngestrüpp/ und einsamen Zufahrtsstraßen/ (…)/ weißt du noch – / am Himmel das Engelsrot/ über den Häusern der Kindheit?“ In einem anderen Gedicht geht es zum Petersbrunnen in Dortmund-Syburg: „gedeckelt versteckt/ an Hecken aus Brombeer und Farn/ betreten verboten!“

Und wie sehr wird vor meinen Augen ein Bild lebendig, wenn ich vom fürs Ruhrgebiet so typischen „Büdchen“ lese, es „liegt am Weg/ zwischen Zauberwelt und Alltäglichkeit“ – auch ein Attribut meiner Kindheit, ich erinnere Geruch, Farben und vor allem den Geschmack der herrlichen Süßigkeiten!

In einigen Texten lässt Marlies Blauth ihre Leser*innen teilhaben an Lebensgefühlen und persönlichen Momenten. Ganz besonders berührt das Gedicht Cobaea (Glockenrebe), welches dem Vater der Autorin gewidmet ist.

Insgesamt stellt „Bilder aus Kohlenstaub“ ein durchweg stimmiges und stimmungsvolles Buch dar, (nicht nur für Ruhrgebietler*innen!), das schon vom Äußeren her einnimmt und einlädt einzutauchen. Es lässt erinnern, neu entdecken, nachdenken, nachfühlen, und schlägt in feinster Weise Brücken von der Vergangenheit ins Jetzt: Facetten einer immerwährenden Ruhrgebietsliebe.


Hier geht es zum Blog von Marlies Blauth: Kunst | Marlies Blauth

[Das Rezensionsexemplar wurde mir von der Autorin Marlies Blauth zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.]

4 Antworten zu “Marlies Blauth: Bilder aus Kohlenstaub

    • macht doch nichts, ich freue mich, wann immer du hier vorbei schaust, und wenn es mal nicht passt, ist doch alles okay, das kennen wir doch alle. freut mich, wenn dich meine besprechung neugierig gemacht hat, lieber michael. für dich alles gute, und ebenfalls nur beste wünsche und grüße! diana

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